Sennheiser HD598Cs im Test – Unterschätzter Spitzenkopfhörer

Sennheiser HD598Cs

Der Volkskopfhörer?

Der Sennheiser HD598Cs ist nun seit einigen Wochen in meinem Besitz und dessen Kauf war vorrangig dem sehr günstigen Preis im Angebot von unter 100€ geschuldet und dem Umstand, dass in meiner kleinen Sammlung mir immer noch ein quasi geschlossener HD600 fehlt. Da wurde ich neugierig.

Den offenen 598er, also den HD598Se,  hatte ich bereits in einem Geschäft zur Probe gehört. Der gefiel mir überhaupt nicht. Als ich aber einige Bewertungen auf Amazon über den 598Cs gelesen habe, dass er einen gänzlich anderen Klangcharakter als der offene 598er haben soll, war meine Entscheidung klar und ich habe bei Amazon bestellt. Wie die Überschrift vermuten lässt, war das keine falsche Entscheidung. Wie ich den HD598Cs jedoch im Detail erlebe, das ist hier zu lesen.

Zum HD598Cs sind die Meinungen auf Amazon insgesamt sehr ehrlich und mit knapp unter 4 Sternen recht durchwachsen. Kein Hype und auch kein Abwählen, jedoch durchaus polarisierende Ansichten zum HD698Cs. Nun könnte ich mich mit meiner Meinung einfach in die goldene Mitte einordnen und aufzählen, warum er sowohl gut als auch schlecht ist. Mache ich aber nicht, denn ich gehöre zu den Befürwortern des HD598Cs. Ich behaupte nicht, dass man keinen besseren Kopfhörer auf dem Markt bekommen kann, denn da geht für ein paar hundert Euro mehr auch noch einiges mehr. Neben der Haptik passt bei diesem Kopfhörer auch der Klang.

 

Das Video zum Sennheiser HD598Cs befindet sich am Ende des Artikels.

 

Wie klingt der HD598Cs?

Natürlich habe ich den Kopfhörer nach dem ersten Hören sofort vermessen, da ihm immer wieder eine zu starke Mittenbetonung nachgesagt wird. Die kann ich so nicht erkennen, lediglich eine interessante Abstimmung durch eine Absenkung im Bereich 150 bis 800 Hz und 1,5 bis 3,5 kHz. Mein selbst modifizierter HD600 spielt im Vergleich überaus neutral. Das bedeutet aber nicht, dass der HD598Cs schlechter klingt, anders ja. Hier die Vergleichsmessung.

Der HD598CS spielt im Bass insgesamt betonter im Vergleich zum Hochtonbereich auf und bedient sich zwischen 50 und 100 Hz zudem einer minimalen Anhebung, um bei 300Hz eine knapp 5dB Senke zu „zeigen“. Im Klang macht sich das für mein Empfinden so bemerkbar, dass der HD598Cs im Bass sowohl mit Kicks dynamischer umgeht als auch insgesamt voller klingt. Dass er dabei matschig oder unpräzise klingen soll, möchte ich so nicht sagen. Ein Koss Porta Pro – auch wenn ein ganz anderer Formfaktor natürlich –  spielt im Vergleich matschig und undefiniert. Mein HD600 klingt etwas „klarer“ im Bass, doch auch weniger kräftig. Wenn ich ihn im Bass einfach mittels Equalizer anhebe, klingt er dem HD598Cs auch in der Auflösung sehr ähnlich. Doch mit mehr Bass klingt der HD600 dann schon eher dumpf aufgrund seiner sonst neutralen Abstimmung. Beim HD598Cs wirkt die Gestaltung 4 bis 15 kHz einer möglichen „Langweiligkeit“ entgegen. Sennheiser übertreibt es dort nicht mit einem herausstechenden Peak, vielmehr wird das Niveau quasi konstant hoch gehalten. Die angesprochene Senke um 3 kHz verstärkt den dynamischen Eindruck etwas. Gesang wird dadurch allenfalls bei sehr hoch reichenden Stimmen verfärbt, zugleich werden aber auch nervende Zischlaute eliminiert, was ich durchaus begrüße. Der HD598Cs wirkt frisch und selbst leise gehört klingt er voll. Wie schon auf der Verpackung beworben wird, ist er somit auch voll Smartphone geeignet, während der HD600 tatsächlich aus meiner Sicht nur an einem Kopfhörerverstärker betrieben richtig gut klingt. Dennoch profitiert der HD598Cs auch davon, wenn mit einem ordentlichen KHV angetrieben wird!

 

Räumliche Abbildung

Interessant ist, dass der HD598Cs eine hervorragende Räumlichkeit hat. Ob das von den zum Ohr hin angewinkelt angebrachten Treibern mit herrührt, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls wirbt aus meiner Sicht Sennheiser gerechtfertigt damit, dass Live-Aufnahmen auch klingen, als stünde man im Geschehen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Einer meiner Freunde hört beispielsweise mit keinem Kopfhörer wirklich räumlich, egal was er auf dem Kopf hat. Er meint, dass er sich wahrscheinlich einfach nicht darauf einlassen kann, weil auch alle anderen Sinne das Live-Gefühl brauchen, was eben ein Kopfhörer nicht zu leisten vermag. Jedenfalls hatte ich eine derartige Bühne vom geschlossenen HD598Cs nicht erwartet und bin überaus erfreut darüber. Kein anderer meiner geschlossener Kopfhörer klingt so „live“.

 

Wie spielt er im Vergleich zu anderen Kopfhörern?

 

Philips Fidelio X2

Der HD598Cs hat mich schon nach wenigen Tagen immer wieder an eine mir bekannte Klangsignatur erinnert. Also hatte ich mich einfach einmal im Vergleich durch meine anderen Kopfhörer gehört, von denen ich weiß, dass sie eher spaßig abgestimmt sind. Womit ich nicht gerechnet hätte, dass ich beim Philips Fidelio X2 hängen blieb. Auch im Angebot kostet dieser gut doppelt so viel wie der HD598Cs. Klanglich sind sie natürlich nicht identisch, doch wer den X2 als offenen Kopfhörer mag und sein Bassfundament und seine Abstimmung allgemein schätzt, der sollte sich tatsächlich den HD598Cs anhören; kein Scherz! Hinsichtlich der Räumlichkeit hat der X2 als offener Vertreter Vorteile.

 

Beyerdynamic DT990 Pro

Ich habe genug andere Kopfhörer zum Wechseln und im Vergleich zum DT990 Pro klingt der Sennheiser für meinen Geschmack einfach gesagt „besser“. Warum ich den Beyerdynamic erwähne? Weil beide Kopfhörer im ähnlichen Preissegment liegen und ich beim Beyerdynamic den Hochton sogar drastisch besänftigen musste, ehe er für mich langzeittauglich wurde. Der DT990 Pro schiebt kräftiger im Bass auch im Tiefbass und bildet eine ordentliche Badewanne aus. Der Sennheiser macht das natürlich nicht, spielt jedoch auch mit Änderungen am Equalizer eines Zuspielers genauer und detaillierter als der DT990 Pro. Auch hier ist jedoch die Räumlichkeit des offenen Kopfhörers im Vorteil, wenn auch nur leicht.

 

BeoPlay H6

Im Vergleich zum BeoPlay H6, der im Angebot immer noch eine doppelt so hohe Investition darstellt, spielt der HD598Cs etwas räumlich und entspannter. Die Bässe des H6 sind noch einen Tick betonter wobei insbesondere bei fett abgemischten Stücken der H6 schon zu kräftig wirken kann. Der Sennheiser behält auch dann die Kontrolle. Hinsichtlich der Mitten und Höhen empfinde ich beide als gleichwertig. Vor dem HD598Cs war der Beoplay H6 mein Favorit in Sachen Tragekomfort. Diesen Platz hält nun der Sennheiser inne.

 

Sennheiser HD600 (gemoddet)

Mein Favorit unter meinen Kopfhörern, was die vereinten Eigenschaften Räumlichkeit, Neutralität und Tragekomfort angeht, ist der Sennheiser HD600. Diesen Kopfhörer habe ich so modifiziert, dass er sich nahezu ohne Ausreißer über den gesamten Frequenzverlauf neutral verhält. Das entspricht natürlich nicht der Harman-Kopensationskurve, doch auch diese Abstimmung hat seinen Reiz. Umso interessanter ist es, den HD598Cs im direkten Vergleich zu hören und zu sehen, wie er sich im Vergleich misst. Die kleinen Täler prägen den Klang des CS598Cs in eine Richtung, die ihn aus der kompletten Neutralität in Richtung dieser von Harman empirisch ermittelten Kurve bringt. Ich möchte den HD598Cs somit als massentauglicher bezeichnen und trotzdem wird er kein reiner Spaßkopfhörer. Der HD650 von Sennheiser klingt mir zu dumpf und im Prinzip würde ich den 598er zwischen den 600er undem 650er einordnen. Mit etwas anderem Design und hochwertigeren Kabel würde der HD598Cs auch gut als HD625Cs durchgehen. 😉

 

Wie sieht es mit der Smartphone-Tauglichkeit aus?

An einem Smartphone klingt der HD5988Cs zwar ausreichend laut, doch klanglich klingt er tatsächlich eher unpräzise. Vielleicht rühren auch daher die eher schlechten Bewertungen, denn auch wenn er gut angetrieben wird, schaffen es die zumeist einfachen Endstufen in den mobilen Alleskönnern entgegen der Angaben von Sennheiser nicht, auch genug Qualität zu liefern. Ob sich Sennheiser mit dieser Werbung etwas Gutes getan hat? Ich bezweifele das. Vielleicht wäre dieses „Feature“ besser nicht so offensiv beworben worden, dann würde der HD598Cs eventuell auch weniger Kritik einstecken. Naja…

Höre ich mit meinem LG V10 Smartphone im Hifi-Modus, der durch einen integrierten ordentlichen KHV ermöglicht wird, dann ist das schon fast so gut wie an einem Fiio X1 oder einem Lotoo PAW5000 oder gar an einem Fiio X5 III. Erst mit solchen Geräten kommt der HD598Cs  genauso wie der HD600 erst richtig in Fahrt. Noch mehr Leistung benötigt der HD698Cs auch nicht, um sich voll zu entfalten. Ein ausgewachsener Kopfhörerverstärker wie ein Fiio K5, ist nicht unbedingt notwendig.

 

Break-In: Märchen oder nicht?

Was das potentielle Einspielen eines Kopfhörers angeht, da bin ich immer hin und her gerissen, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Materialien sich in Nuancen noch „einspielen“ können. Nach etwa 10 Stunden am Kopfhörerverstärker mit Dauerbeschallung bei 80% Lautstärke, empfinde ich den Kopfhörer weniger anstrengend als nach dem direkten Auspacken. Tatsächlich empfand ich den beschriebenen Bereich im Mittel- und Hochton später etwas smoother und auch unaufdringlicher als nach dem Auspacken. Anfänglich war ich auch etwas erstaunt über etwas zu viel obere Mitten im Vergleich zu dem, was ich sonst mag. Doch nun klingt er rund und das nicht, weil ich mich an den HD598Cs einfach gewöhnt habe.

 

Wie steht es mit der Geräuschisolierung?

Eine gewisse Geräuschisolierung ist mit dem HD598Cs gegeben, jedoch nicht so stark, wie es bei einem BeoPlay H6 der Fall ist. Im Vergleich zu jedem offenen Kopfhörer isoliert der HD598Cs deutlich mehr, logisch. 😉

Jedenfalls kann ich nun auch im Schlafzimmer Musik hören und das auch etwas lauter, ohne dass meine Frau mithören muss.

 

Thema Kabel

Zum Komfort gehören für mich auch die zwei unterschiedlichen Kabel, eines für die mobile Nutzungsvariante mit integriertem Mikrofon und Play/Pause bzw. Rufannahme-Taste und einem 3,5mm Klinken-Stecker mit 1,2m Länge und zum anderen das knapp 3m lange Kabel mit 6,3mm Klinke-Stecker, was den Kopfhörer durchaus für den Betrieb an der heimischen Stereo-Anlage befähigt. Beide Kabeldurchmesser sind weder zu dünn noch zu dick ausgefallen und flexibel genug, dass die Kabel nicht nerven. Auch wenn keine symmetrische Zuspielung möglich ist, tut das dem Alltagsgebrauch keinen Abbruch. Audiophile Ansprüche bedient der HD598Cs allein mit der angepriesen Mobil-Tauglichkeit im Prinzip ja schon nicht. 😉

Nach einigen Wochen habe ich mich jedoch entschlossen, dem HD598Cs neue mobile Kabel eines Drittherstellers zu spendieren auch wenn diese fast 20% des Kaufpreises ausmachen, da sich das Originalkabel einfach nicht aushängen will, sprich sich nicht gerade zieht. Das Nervt mich insbesondere dann, wenn ich ihn zu Hause am Notebook oder mit einem DAP nutze und das Kabel im Zickzack vom Kopfhörer herunter hängt.

 

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Wie trägt sich der HD598Cs?

Hier darf ich sagen, besser geht es kaum. Der HD600 sitzt mir oft etwas sehr locker, so dass ich ihn nur zu Hause im Sitzen oder liegen beim gemütlichen Hören tragen kann. Ganz anders geht es mir mit dem HD598Cs. Mit ihm kann ich auch herumgehen oder laufen.

Die samtartigen Nicht-Velour-Polster haben einen Kern aus sehr angenehm weichem Material. Ich bin fast versucht zu sagen, dass dort Memory-Foam enthalten sein könnte, denn schon nach ein paar Minuten ist der Kopfhörer so angeschmiegt, dass ich ihn trotz leichtem Druck kaum mehr wahrnehme.

 

Fazit

Mein Fazit lautet, der HD598Cs ist ein spritzig abgestimmter, neutraler Sennheiser im unteren Preissegment. Oder anders ein zurückhaltender Spaßkopfhörer aus dem Hause Sennheiser. Und auch wenn ich vielleicht gesteinigt werde, er macht mir genauso viel Freude wie der HD600 und mehr noch als der HD650!

Nicht zuletzt auch wegen des hervorragenden Tragekomforts ist er mein ultimativer Tipp als geschlossener OverEar-Kopfhörer!

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Tipp

Erhältlich ist er immer wieder bei Amazon für unter 100€. Der Bestpreis lag bereits temporär bei knapp 84€ – unglaublich!

 

 

 

 

 

 

 

Klangfreund"M"

gelernter Radio- und Fernsehtechniker und ein Klangfreund mit Leidenschaft zu Kopfhörern, DAPs und sonstigen Miniklangwundern; liebt eine ordentliche Reproduktion satter Bässe, ausgewogene Wiedergabe von Stimmen und Instrumenten, entspannter Hochton mit akzentuierter Brillanz, kurz TP-Signatur; OverEar-Lineup: Dan Clar Audio Expanse, Meze Empyrean 2, Hifiman HE1000SE, HEDDphone 2, Hifiman Audivina, Dan Clar Audio E3; InEar-Lineup: Headphone Company Zeitgeist Blue, Sennheiser IE600, iBasso iT07; Dauerhaft eingesetzte DAPs: Cayin N8ii, iBasso DX320 Max TI; Kopfhörerverstärker im Bestand: Cayin HA-3A, RME ADI 2/4 Pro SE, ifi Audio GO Bar