Neumann NDH 20 im Test – mehr als nur ein Studiokopfhörer

Nach den vielen Berichten, die ich zum ersten Kopfhörer aus dem Hause Neumann gelesen habe, bin ich ganz neugierig auf den NDH 20 geworden. Im Prinzip wird er ausnahmslos als hervorragender Studiokopfhörer empfohlen. Doch Markus von Kopfbox sagte mit, der ist mehr als das, was am Ende den Ausschlag gegeben hat, mit Neumann direkt den Kontakt aufzunehmen.
Und nun, wenige Wochen später, sitzt der Kopfhörer auf meinem Kopf und spielt meine Playliste rauf und runter. Un das nicht nur während ich an diesem Bericht schreibe.


Vorwort


Nachdem ich grundsätzlich Studiokopfhörer über Jahre vernachlässigt habe, weil ich der Meinung war, dass ich mit deren Abstimmung sehr wahrscheinlich nicht zurecht komme, wurde ich vor einiger Zeit eines Besseren belehrt. Ich war stets der Meinung, dass ich mit einem Kopfhörer ja nicht arbeiten, sondern Musik genießen möchte. Eines Tages hatte jedoch ein Kollege mir seinen Beyerdynamic DT770 Pro vorgestellt und ich war ziemlich beeindruckt. Ich habe schließlich dann sein Upgrade, den DT1770 Pro für mich gefunden. Hinsichtlich Design und Dank der abnehmbaren Kabel kam der für mich dann auch problemlos zur Nutzung im Wohnbereich in Frage und ist seither meine Referenz in Sachen Studio-Kopfhörer gewesen.

Wie es der Zufall will, hat mich auch dieses Mal ein Impuls von außen dazu gebracht, den Neumann NDH 20 anzuhören. Wie schon eingangs angemerkt hat mir Markus über seine Qualitäten berichtet und auch schon vor einiger Zeit seinen Bericht zum NDH 20 veröffentlicht, der mich wieder in dieser Richtung hat aktiv werden lassen.

Im selben Preisbereich wie der DT1770 Pro kommt nun also der
Neumann NDH 20 daher und legt im Design die Messlatte sofort ein gutes Stück weiter nach oben. In jeder halbwegs modern eingerichteten Wohnung ist er mit seinem silber-schwarzen Look ein Eye-Catcher.

Ob er auch klanglich ein Upgrade zum Konkurrenten aus dem Hause Beyerdynamic ist?


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Der NDH 20 Kopfhörer wurde mir leihweise direkt von Neumann-Berlin zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

Inhalt

Das Auspacken

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Beim Öffnen des Kartons des Demo-NDH 20 fällt der Blick auf ein sehr aufgeräumtes Innere. Auf der rechten Seite der robusten Klappschachtel ist der in einer zugeschnittenen Form aus Schaumstoff gebettete Over-Ear-Kopfhörer zu sehen. Der Deckel beinhaltet unter einer mit Schaumstoff überzogenen Abdeckung das Zubehör. Dazu gehören ein Stoffbeutel, ein sehr nützliches Spiralkabel, welches bei mir während der Leihdauer stets zum Einsatz kam, und ein eher unfelxibles 3m Kabel in gerader Ausführung. Das Zubehör befindet sich ebenfalls in passend ausgeschnittenem Schaumstoff eingelegt.
Mein Eindruck im Moment des Öffnens der Schachtel ist äußerst positiv gewesen und mir schoss beim Anblick des hauptsächlich in Silber gehaltenen Kopfhörers sofort der bereits erwähnte DT 1770 Pro von Beyerdynamic durch den Kopf. Beide sind optisch für mich mehr als nur Studio-Kopfhörer. 😉



Die Technik

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Vor der eigentlichen Anwendung gibt es zur Einstimmung zunächst die technischen Daten, welche ich dem Internetauftritt von Neumann entnommen habe. Wer alle Details nachsehen möchte – so detaillierte Angaben bis hin zur Definitionen der RAL-Farben habe ich zu einem Kopfhörer zuvor noch nicht gesehen – sei direkt auf die Seite zum NDH 20 von Neumann verwiesen.

Die für mich wichtigen Schlüsselparameter des NDH 20 hier knapp aufgelistet:

  • Dynamische 38mm-Treiber
  • Frequenzbereich 5-30.000 Hz
  • Impedanz 150 Ohm
  • Schalldruckpegel 114dB SPL /1Vrms (umgerechnet 105,5dB /mW)
  • Gewicht 390gr
  • Cups & Beschläge Aluminium, Kopfbügel Federstahl, Beschläge & Einfassungen Kunststoff


Der Ersteindruck

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Schon beim Anfassen stellt sich bei mir ein gutes Gefühl ein. Neben der Optik überzeugt mich sofort das Anfass-Gefühl, welches neben dem Gewicht der moderaten 390gr auch durch die verwendeten Materialien entsteht.
Das Kopfband lässt einfach durch Herausziehen verstellen. Die Positionen rasten gut ein, so dass beim Auf- und Absetzen diese sich nicht automatisch verstellen.
Das Kopfband ist zwar minimal gepolstert, liegt aber gut auf, da die Krümmung meines Kopfes weitestgehend zum Kopfband passt. Die Ohrpolster, sie fühlen sich an wie Alcantara, bestehen aus Memory-Foam und schmiegen sich nach kurzer Zeit optimal an. Die passive Geräuschunterdrückung ist auch dadurch als hervorragend zu bezeichnen. Die Treibergehäuse selbst sind nach hinten flach drehbar und so ist auch eine optimale Druckverteilung seitlich am Kopf gewährleistet.
Etwas Kritik gibt es dann doch bei den Polstern. Der runde Innenbereich dürfte im Durchmesser gern einen Zentimeter größer sein, denn meine Ohren stoßen immer irgendwo innen an, was sich bei längerer Nutzung dann doch bemerkbar macht. Mit Wärmestau habe ich hingegen keinerlei Problem.

Zum ersten Eindruck gehört dann auch das erste Lied, welches ich mir mit dem NDH20 angehört habe. Spontan habe ich mich für „Siciliana in G minor“ vom Jaques Loussier Trio entschieden.


So unspektakulär das Stück zunächst in der Minimalbesetzung erscheint, birgt es doch für viele Kopfhörer einige Stolpersteine. So wird das Klavier oft sehr harsch abgebildet. Der Bass spielt oft zu dominant im Vordergrund und die Becken klingen bisweilen zu blechern. Der NDH 20 bleibt komplett kontrolliert und tatsächlich könnte ich meinen, hinter einer Glasscheibe in einem Aufnahmestudio zu sitzen. Ich vermute, genauso sollen sich die 3:36 Minuten anhören, absolut entspannt und unaufgeregt für den Zuhörer, doch unbedingt mit einem Live-dabei-Gefühl.


Die Klangdetails

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Nach dieser Einstimmung wollte ich natürlich wissen, wie der NDH 20 insgesamt abliefert?
Was ich beim ersten Song als außerordentlich positiv empfand, kann in anderen Genres ja schon wieder ganz anders aussehen.

Also auf geht’s…


Ich bleibe zunächst bei den eher ruhigen und minimal gehaltenen Songs und so darf Kari Bremnes mir ganz persönlich vom „Lover in Berlin“ erzählen. Auch hier fällt mir in der Instrumentierung eine hervorragende Kontrolle und Balance auf. Zusätzlich passt der Gesang sehr schön in das gesamte Bild. Mir fällt jedoch auf, dass der durch den Hall in meinem Kopf aufgespannte Raum nicht der größte ist. Tonal ist der Song absolut stimmig abgebildet und auch diese 5:12 Minuten sind ein absoluter Genuss. Das nächste Lied sollte aber nun eine Live-Aufnahme sein mit einer großen Bühne…


…also „Hotel California“ aus dem Album „The hell freezes over“. In Bezug auf die Abstimmung macht der NDH 20 hier wieder alles im positiven Sinn sehr ausgeglichen. Das Einsetzen des Publikums um 1:20 Minute herum zeigt, dass er auch eine größere Bühne gut abbilden kann. Allerdings eröffnet sich mir nicht der Aha-Effekt, als stünde ich in Mitten des Geschehens. Ich bin Besucher in der ersten Reihen ganz vorne und genau das gefällt mir sehr gut. Es ist auch hier wieder eher so, dass ich alle Geräusche und Quellen sehr genau orten kann. Würde die Musik in Zeitlupe laufen können, könnte ich gefühlt mit dem Finger in die Richtung eines jeden einzelnen Händeklatschen im Publikum zeigen können. Von der hervorragenden Positionierung der Instrumente auf der Bühne ganz abgesehen.


Beim Song „Fat Roller“ ist es häufig so, dass die Kopfhörer stark in den oberen Mitten und im Hochton überbetonen, andere hingegen den eher zaghaft eingemischten Tiefbass viel zu sehr hervorheben oder aber ausblenden. Der Neumann bleibt auch hier kontrolliert, ohne dass Informationen verloren gehen. Der vorhandene Tiefbass wird trocken und leicht zurückhaltend abgebildet. Hier zeigt sich wieder, dass der Neumann ein absolutes Highlight als Studio-Kopfhörer ist, mit dem es sich stundenlang arbeiten lässt. Das gilt auch für das entspannte Musik-Hören, beispielsweise während ich diesen Text verfasse.


Die „Zuckerwatte“ präsentiert er nicht ganz so süß, wie ich sie gern hätte. Beim Anhören dürfte es für mich etwas mehr an Bass sein und auch die Akzente im Hochton dürften etwas losgelöster sein. Die Dynamik ist insgesamt sehr gut, daran mangelt es nicht.
Dennoch muss ich im Verlauf des Liedes dem Neumann attestieren, dass alle Klänge perfekt zueinander passen und jedes Detail heraushörbar ist. Bei spaßig abgestimmteren Kopfhörern mangelt es genau daran dann ein wenig. Der NDH 20 spielt sehr kontrolliert und zeigt einmal mehr, dass er ein absolutes Profi-Werkzeug ist, um Musik perfekt zusammenzusetzen.


Abschließen möchte ich stellvertretend für metallischere Musik mit Avenged Sevenfold und „Hail to the king“. Vorweg genommen bleibt auch hier der NDH 20 absolut kontrolliert und verträglich. Gerade bei Metal und Hard Rock spielt er für mich seine Vorteile als Studiokopfhörer aus, denn was mir bei eher angeregt abgestimmten Kopfhörern hier oft zuviel ist, stellt mit dem NDH 20 kein Problem dar. Würde ich vorwiegend diese Musikrichtung hören, wäre der Neumann wahrscheinlich meine erste Wahl. Weder die E-Gitarren noch das Schlagzeug klingen zu aufdringlich. Auch Schrei-Gesänge anderer Songs nerven mich mit dem NDH 20 nicht. Und trotzdem sind alle Details sehr genau heraushörbar und überfordern meine Wahrnehmung nicht. Das kenne ich auch anders.


Der Klangvergleich

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Nachdem ich einige Tage nur mit dem NDH 20 „meine“ Musik gehört habe und oben auch meine Eindrücke anhand einiger Beispiele geschildert habe, ist es Zeit für Runde zwei. Nämlich der Vergleich mit dem erwähnten DT1770 Pro von Beyerdynamic. Auch er ist ein ausgewiesener Studio-Kopfhörer. Ich möchte nun wissen, wo sind für mich die Unterschiede?

Um hier möglichst „objektiv“ zu sein, habe ich mir genau die oben bereits beschriebenen Songs mit beiden Kopfhörern im direkten Vergleich angehört und fasse mein Ergebnis wie folgt zusammen.

Schon mit dem ersten Wechsel fällt mir auf, dass der DT1770 Pro einfach weniger neutral spielt als der Neumann NDH 20. Er spielt insgesamt einen Hauch aufgeregter, ohne dabei aber in den Mainstream abzurutschen. Allerdings bietet der nicht die Präzision und Abbildungsgenauigkeit des Neumann. Das ist mir sofort aufgefallen.
Die räumliche Abbildung des Neumann ist zwar etwas intimer, er weiß aber mit einer absoluten Genauigkeit die Instrumente klar differenzierbar im Raum zu platzieren. In dieser Disziplin verwäscht der Beyerdynamic ein wenig, so dass vor dem inneren Auge sich nicht das klare Bild des NDH 20 abzeichnet.
Auch in Sachen Dynamik hat der Neumann die Nase vorn. Er spielt insgesamt einfach eine Spur trockener und mit mehr Kontur.



Jetzt weiß ich auch, was Markus damit meinte, dass der Neumann mehr ist als nur ein Profi-Studio-Kopfhörer. Auch wenn ich das nur sehr selten und ungern mache, zwei Kopfhörer zu vergleichen und diese dann zueinander zu positionieren, ist für mich der Neumann einfach der „bessere“ Kopfhörer. Klar, er klingt mir manchmal bei elektronischer Musik oder bei Jazz ein Spur zu „neutral“, doch auch mit etwas Klanganpassung via EQ bleibt er stets sauber spielend und verliert keine seiner hervorragenden Eigenschaften.


Das Fazit

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Wie vom Hersteller beworben und in vielen von mir zuvor gelesenen Reviews ist der Neumann NDH 20 ein astreiner Studio-Kopfhörer ist, an dem sich sicherlich viele andere Schallkünstler die Zähne ausbeißen.

Was ich aber ergänzen darf ist, dass ich ihn eben nicht professionell zum Mischen verwendet habe, sondern lediglich zum Hören von Musik, die ich mag und bei der ich entspannen kann. Und das konnte ich mit dem Neumann ohne Einschränkungen.

Auch wenn er hier und da für mich ruhig noch etwas mehr gesoundet sein dürfte, was ich ja jederzeit auch mit eigener Klanganpassung mittels EQ bewerkstelligen könnte, schätze ich nach einigen Wochen des Hörens und am Ende dieses Artikels sein absolut präzises Abbildungsvermögen, insbesondere seine Positionierung von Instrumenten im Raum. Dazu kommt seine trockene und wohl dosierte Basswiedergabe und am Ende auch insgesamt dann doch seine Neutralität, die ein stundenlanges Hören ohne Ermüdung ermöglicht.

Wer einen Kopfhörer zu einem absoluten fairen Preis sucht, der genau diese Eigenschaften auf höchstem Niveau erfüllt, der sollte sich unbedingt den NDH 20 anhören und bereut am Ende die Investition der 499€ sicherlich nicht.


Die Wertung

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  • 92%
    Tiefbass - 92%
  • 94%
    Bass - 94%
  • 94%
    Mitten / Stimmen - 94%
  • 94%
    Mitten / Instrumente - 94%
  • 94%
    Obere Mitten - 94%
  • 92%
    Brillanz / Hochton - 92%
  • 94%
    Dynamik - 94%
  • 86%
    Räumlichkeit - 86%
  • 96%
    Abbildung - 96%
  • 96%
    Auflösung - 96%
  • 96%
    Design / Konstruktion / Verarbeitung - 96%
  • 92%
    Tragekomfort - 92%
  • 92%
    Preis - 92%
93.2%


Die Fotos

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Klangfreund"M"

Klangfreund"M"

gelernter Radio- und Fernsehtechniker und ein Klangfreund mit Leidenschaft zu Kopfhörern, DAPs und sonstigen Miniklangwundern; liebt eine ordentliche Reproduktion satter Bässe, ausgewogene Wiedergabe von Stimmen und Instrumenten, entspannter Hochton mit akzentuierter Brillanz, kurz TP-Signatur; OverEar-Lineup: Dan Clar Audio Expanse, Meze Empyrean 2, Hifiman HE1000SE, HEDDphone 2, Hifiman Audivina, Dan Clar Audio E3; InEar-Lineup: Headphone Company Zeitgeist Blue, Sennheiser IE600, iBasso iT07; Dauerhaft eingesetzte DAPs: Cayin N8ii, iBasso DX320 Max TI; Kopfhörerverstärker im Bestand: Cayin HA-3A, RME ADI 2/4 Pro SE, ifi Audio GO Bar